Garde Malade
Am Freitag 28. 2., einen Tag vor dem Heimflug, lernte ich ein Vorzeige-Krankenhaus im Zentrum von Kinshasa, das mit kanadischer Hilfe errichtet worden war, von innen kennen. Mama Florence, die Leiterin der Crèche, mit der ich diesmal sehr viel zusammengearbeitet und Zeit verbracht hatte, war am frühen Morgen in das Privatkrankenhaus wegen Malaria eingeliefert worden. Florence ist Diabetikerin, und ein Malaria Anfall bringt sie in eine kritische Phase. Im Dezember war sie, ebenfalls nach einem Malaria-Anfall, in einem Vorort-Krankenhaus nicht gut auskuriert worden. Deshalb wählte man diesmal die wohl teure, aber spezialisierte Klinik.
Im Kongo kann man nicht allein in ein Krankenhaus gehen, man braucht eine „garde malade“, eine Krankenbegleiterin oder Betreuerin meist aus der eigenen Familie, welche sich um die Körperpflege und um das Essen und sonstigen persönlichen Bedarf kümmert. Das Krankenhaus stellt die medizinische Versorgung bereit, sonst nichts. Was macht jemand, wer niemanden hat? Diese meine Frage löst Achselzucken aus. So jemand hat Pech gehabt. Wer sollte ihn oder sie hinbringen? Wer die Rechnung bezahlen? „Irgendwen gibt es immer“. Oder man kommt halt erst gar nicht hinein. Und stirbt daheim oder auf der Straße.
Die Garde Malades schlafen auf einer mitgebrachten Matratze oder auf Bänken oder einfach auf dem Boden. Manche Krankenhäuser haben Küchen, ähnlich wie auf Campingplätzen, wo die Begleitpersonen für sich und die kranke Person was zubereiten können. Die weniger schicken Krankenhäuser in der Peripherie und auf dem Land sind von Straßenküchen umgeben, in denen das Essen gekauft werden kann.
Florence wurde von ihrer Tochter Dorcas begleitet. Ich kam später dazu und brachte Essen und Trinken und anderes dringend Benötigtes. Florence ging es nicht gut und Dorcas hätte sie nicht allein lassen können.
Wie gesagt, das Krankenhaus war in Bezug auf die medizinische Versorgung, Bausubstanz und Ausstattung tadellos. Florence lag in einem klimatisierten Einzelzimmer und das Personal wirkte kompetent und bemüht.
Für mich war Florences` plötzliche schwere Erkrankung ein Schock. Drei Tage vorher waren wir noch zusammen und hatten vieles besprochen, wir waren nicht fertig geworden und sie wollte vor meiner Abreise noch mal zu mir kommen.
Seit Sonntagabend ist Florence wieder daheim und noch rekonvaleszent. Den weiteren Austausch werden wir über WhatsApp machen, wenn sie dann wieder gesund ist!
Unterschenkel-Wunde bei Soeur Alphonsine
Die Wundversorgung bei Soeur Alphonsine ist ein voller Erfolg! Gottseidank! Mit der neuen Wundauflage, aber vor allem mit der Förderung der venösen Blutzirkulation mit Hilfe des Unterschenkel-Kompressionsverbandes hat sich der Zustand der Wunde stark verbessert. Sie verkleinert sich vom Rand her, wird flacher und ist ohne Geruch. Sr. Alphonsine fühlt sich insgesamt wohler, sie kann schmerzfrei gehen. Sie ist unglaublich froh und dankbar für diese spürbare Verbesserung und sie hat Hoffnung auf komplette Heilung.
Die drei Schwestern aus dem Osten des Kongo
Die nächste Geschichte hat im weiteren Sinn auch mit einer garde malade zutun.
Aber der Reihe nach.
Es geht um Rosettes und Sagesse´s Schwestern, die 17jährige Dada, die 15jährige Furaha und die 11jährige Princesse. Die fünf Geschwister waren nach der Ermordung der Eltern während des Krieges im Ost-Kongo 2012 getrennt worden. Dada, Furaha und Princesse waren nördlich von Goma in der Region Walikale gestrandet. Dort hatten sie auf Grund der Armut, aber vor allem wegen des unablässigen Rebellen-Terrors keine Gelegenheit zum Schulbesuch.
Als ich am Samstag 22. 2. von der Farm zurückkam – dort war ich ohne Telefon- und Internet-Verbindung – hatte ich erwartet, von der glücklichen Ankunft der drei Schwestern zu hören, was nicht der Fall war. Ich war beunruhigt und vermutete schon, das Geld für die Flüge sei anderweitig verwendet worden … Auch Mama Fifi, die Pflegemutter von Rosette und Sagesse, hegte diese Befürchtung, wie sie mir später mitteilte.
Tatsächlich aber ist Dadas Gesundheitszustand sehr schlecht. Sie hatte Tag und Nacht geweint wegen Schmerzen im Bauch, erzählte mir Rosette. Ein Gynäkologe in Goma empfahl die Behandlung in der Klinik Panzi in Bukavu, die eine Tagesreise von Goma entfernt ist. In dieser Klinik werden Frauen, die durch sexualisierte Gewalt oft schwerste Verletzungen erlitten, kostenlos und umfassend behandelt. Doktor Denis Mukwege, der Gründer der Klinik, erhielt für seinen unermüdlichen Einsatz für das Bekanntmachen und für das Ächten von Vergewaltigung als Kriegswaffe 2018 den Friedensnobelpreis.
https://www.panzifoundation.org/dr-denis-mukwege/
Dadas Tante Baderha, welche die Schwestern aufgenommen hatte, begleitete Dada in die Klinik nach Bukavu und bleibt als garde malade bei ihr. Mama Baderha ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern, dazu kommen jetzt die jüngeren Schwestern von Dada. Wenn sie in Bukavu ist, ist die Familie ohne Einkommen. Die tüchtige Mama Fifi hat erstmal finanziell ausgeholfen.
Rosette und Sagesse waren sehr traurig darüber, dass sie nun weiter auf ihre Schwestern warten müssen. Aber natürlich sehen sie ein, dass die Behandlung in Bukavu die beste Lösung ist.