Ungewollt habe ich sechs Wochen keine weiteren Informationen über die Arbeit im Kongo geschickt. Der Grund dafür ist, dass ich nicht gesund zurückgekommen bin, sondern mit Malaria. Es ist das erste Mal, dass es mich „erwischt“ hatte, und ich wollte es nicht wahrhaben. Ich war dann vom 14. bis 24. März im Krankenhaus, und jetzt geht es mir wieder ziemlich gut. Ich kann sagen, dass die Corona-bedingte allgemeine Entschleunigung meinem eigenen Energielevel ganz gut entsprochen hat. So wurde mir die Erholung leichter gemacht.
Die Menschen im Kongo sind, so wie in praktisch allen Ländern Afrikas, und in allen Ländern weltweit mit schwachen Volkswirtschaften und wenig ausgeprägten Demokratien, von der Corona-Pandemie existentiell betroffen, im wörtlichen Sinn. Es geht bei allzu vielen um das nicht-Verhungern. Wer von der Hand in den Mund lebt, wer das, was unmittelbar durch Straßenverkauf und andere prekäre Beschäftigungen Erworbene, ebenso unmittelbar für Lebensmittel ausgibt, hungert und verliert längerfristig das Dach über dem Kopf, wenn diese Beschäftigungen auf Grund der Ausgangssperren verunmöglicht werden.
In der Folge ein kurzer Bericht über die Schule St. Hélène, über das Werk von Florence Ngunga, und über Fifi Bora, die sich um die fünf Kriegswaisen aus dem Osten des Kongo kümmert.
Ecole St. Hélène
Am 23. Februar hatte ich Besuch vom Direktor John Tshimanga und dem Koordinateur, bei uns würde man sagen Administrator der Schule, Denis Lelo. Ich war eigentlich entschlossen gewesen, der Schule keine weitere Unterstützung zu geben, nachdem sie Ende Dezember vom Kalender Projekt über 5000 Euro erhalten hatten. Ich meinte, wenn St. Hélène überhaupt nicht selbsterhaltungsfähig ist, dann muss die Schule eben geschlossen werden.
Die 5000 Euro waren im Wesentlichen für die bescheidenen Gehälter der Lehrerinnen und Lehrer und für die Renovierung der Schäden nach dem Erdrutsch im vergangenen November aufgegangen. Die entsprechenden Belege legten mir die beiden im Original vor.
Aber Denis und John standen schon wieder mit leeren Händen da, die Löhne der Lehrenden waren im Jänner und Februar noch ausständig. Sie erklärten mir glaubwürdig, dass St. Hélène nicht nur als Schule, sondern auch als eine Art soziales Zentrum in dieser besonders armen Gegend wichtig ist. Als Schulverantwortliche erfahren sie viel über die speziellen Nöte ihrer Schülerinnen und Schüler. Viele leben mit nur einem Elternteil, oder bei Großeltern, die so arm sind, dass sie die Kinder oft hungrig zur Schule gehen lassen müssen.
Da erinnerte ich mich an einen KBW Vortrag in Freistadt über das weltweite Projekt „Marys Meals“. https://www.marysmeals.at/
Wenn in St. Hélène alle Schulkinder täglich eine einfache warme Mahlzeit bekommen würden, würde dies die Schule enorm aufwerten, und die allergrößte Not der Kinder und Familien würde wirksam gelindert. Mit dieser Perspektive entschloss ich mich, ihnen 3000 Dollar für die Löhne der Lehrenden und andere dringende Ausgaben zu geben.
Wir vereinbarten, dass John und Denis einen Plan erstellen werden, wie und zu welchen Kosten sich so ein Basisprojekt verwirklichen ließe. Leider ist durch die Corona-Ausgangsbeschränkungen, die zur gleichen Zeit wie bei uns gestartet hatten, derzeit alles auf Eis gelegt.
Mama Fifi Bora
Mit meiner finanziellen Hilfe hatte Mama Fifi ein kleines Restaurant ganz in der Nähe ihrer Wohnung eröffnet. Genau als die Einrichtung und auch genügend Lebensmittelvorräte und die Lizenz zum Betreiben des Restaurants erworben waren, wurde das „confinement“, also die Ausgangssperre ausgerufen. Somit ist die wirtschaftliche Selbständigkeit schon wieder vorbei, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Das ist sehr frustrierend. Die drei Schwestern von Rosette und Sagesse, Dada, Furaha und Princess sind immer noch im Osten, weil ja auch die Reisemöglichkeiten gecancelt sind.
Mama Florence Ngunga – Verein CRPDM
Mama Florence war für mich immer einfach die Betreiberin der Crèche gewesen. Erst jetzt, als wir auf der Farm fünf Tage zusammen waren, erfuhr ich mehr über ihr langfristiges humanitäres Engagement für die Allerärmsten.
Schon 1996 hatte sie den Verein CRPDM (Cercle Pour la Récupération des Personnes Défavorisées et Marginalisées, = Vereinigung für die Wiederherstellung von benachteiligten und an den Rand gedrängten Personen) gegründet. Es ging und geht um die Hilfe für verstoßene und verlassene Kinder, für chronisch Kranke, Witwen, junge Mütter, Behinderte, Vergewaltigte.
CRPDM ist an insgesamt vier Orten aktiv. Der erste ist ihr eigenes Haus in Masina Pasquale, die Crèche. Am zweiten Ort, der Farm, hatte ich diesmal nachmittags Schulungen gehalten und vormittags bei der Erdnuss Ernte mitgearbeitet. 2004 hatte Florence ein Stück Land auf dem Plateau von Bateke ihrem Verein verliehen und dort die Farm aufgebaut. Einerseits bietet sie einigen Witwen sowie einer jungen Mutter mit zwei Kindern Unterkunft und Arbeit, in der Haupt-Erntezeit arbeiten dort auch Studenten, die sich ihr Studiengeld verdienen; andererseits finanziert sie mit dem Ertrag der Farm so gut es geht ihre weiteren Aktivitäten.
Leider ist Florence derzeit sehr krank. Nur wenige Tage nachdem sie das Krankenhaus, wo sie wegen Malaria behandelt worden war, verlassen hatte (ich hatte davon berichtet), musste sie wegen Lähmungserscheinungen an beiden Beinen wieder ins Krankenhaus. Nach einer MRT Untersuchung wurde ihr eine Operation an der Wirbelsäule nahegelegt. Dies wäre aber eine untragbare finanzielle Belastung. Derzeit wird sie mit Medikamenten, Physiotherapie und Reflexzonenmassage behandelt. Besserung stellt sich nur langsam ein. Das macht mir große Sorgen. Viele Projekte, die sie beispielsweise auf der Farm verwirklichen wollte, wie der Aufbau von Imkerei, ein eigener Stall samt Auslauf für die Hasenzucht und andere Investitionen, die den Ertrag steigern sollen, sowie die Erweiterung der äußerst bescheidenen Wohnmöglichkeiten für die ständig dort lebenden Personen, stehen still.
Die Kinder der Crèche, die bei ihr im Haus leben, sind traurig und eingeschüchtert. Sie wissen und fühlen, dass von Mama Florences Befinden ihre eigene Sicherheit abhängt.
Die Bilder im Anhang zeigen mich auf der Farm beim (symbolischen) Übernehmen der Dankes-Gaben am Kursende, bei der Erdnussernte in Gesellschaft des kleinen Merdi und seiner noch kleineren Schwester Dorcas, und beim Unterrichten.