Liebe Elikia-Freundinnen und Freunde!
Auch die zweiten zwei Wochen vom 14. bis zum 28. Juni 2019, dem Tag der Abreise, waren ausgefüllt mit vielen verschiedenen Aktivitäten und spannenden und berührenden Begegnungen.
Reise in die Provinz Bandundu
Vier Tage war ich mit Patrick Kasasi, einem weiteren Freund und Mitarbeiter der ersten Stunde, unterwegs, um die Krankenhäuser in Mutombo und Tshakala Mbewua zu besuchen. Dort war ich schon im Vorjahr und hatte guten Kontakt zu Doktor Ulrich Bifukuta, der jetzt das Krankenhaus in Mutombo leitet, und zu Blandine Kuzwela, der administrativen Leiterin des Krankenhauses in Tshakala Mbewua, gefunden. Diesmal hielt ich eine äußerst gut besuchte Schulung in Mutombo (über vierzig Frauen und Mädchen teilweise mit ihren kleinen Kindern, und viele weitere „Zaungäste“, die rundherum standen und versuchten so viel wie möglich mitzubekommen). Doktor Ulrich war wieder als engagierter Erklärer und Dolmetscher dabei. Das Interesse, noch mehr zu lernen, war sehr groß. So bot ich an, dass am nächsten Tag zehn besonders interessierte Personen zu einer intensiven Schulung kommen können. Das funktionierte gut, und diese zehn wollen mit den anderen in kleinen Gruppen weiterarbeiten.
Wir nahmen uns auch Zeit zum persönlichen Austausch mit Blandine und Ulrich. Die beiden sind ziemlich desillusioniert. Sie sind von Staat unbezahlt, obwohl sie eine staatliche Stelle im Gesundheitssystem besetzen. Auch die Krankenschwestern und Pfleger arbeiten seit Jahren oder auch Jahrzehnten unbezahlt. Das Personal kann sich nur das unter sich aufteilen, was die Patientinnen und Patienten bezahlen. Da sie niemanden abweisen wollen, weitet sich der Mangel eben zum Personal hin aus.
Ob man irgendwann endlich registriert und damit bezahlt wird, ist eine ungewisse Sache. Das kann wie gesagt Jahre oder auch Jahrzehnte dauern, oder nie sein.
Nun verstand ich auch den Streik des medizinischen Personals besser. Es ist nicht „der Gesundheitsminister“, der die Löhne unterschlagen hat. Da es keine Regierung gibt, gibt es auch keinen verantwortlichen Minister. Der Sumpf der Korruption ist viel zu tief und undurchdringlich, um einen/eine Schuldige in diesem System finden zu können.
Jedenfalls wurde der Streik ausgelöst, weil nun auch diejenigen, die eigentlich auf einer Gehaltsliste stehen, auch kein Gehalt mehr bekommen hatten. Das hatte dann alle auf die Straße gebracht.
Crêche
Ich traf mich mehrmals mit Mama Florence, der Leiterin der „Crêche“ im Stadtteil Masina Pasqual. Sie betreibt einerseits einen Kindergarten, eben eine Krippe – Crêche, und nimmt auch verlassene Kinder, Kinder, die niemand will, bei sich in ihrem Haus auf. Und sie kümmert sich um vergewaltigte Mädchen und um „fillesmères“. Zum Beispiel wohnen jetzt unter anderem der siebenmonatige Cyprian mit seiner Mutter bei ihr. 16-jährig, wurde sie von drei „Kuluna“ vergewaltigt, die Frucht davon ist Cyprian. Die Eltern verstießen ihre schwangere Tochter, Mama Florence nahm sie auf. Was mich bei dieser Frau besonders beeindruckt, ist ihre liebevolle und mütterliche Haltung den Kindern und Mädchen gegenüber. Sie „verwaltet“ nicht ein Sozialprojekt, sondern ist mit ganzem Herzen bei den Menschen.
So wie auch Bunkete in Bandundu Ville, betreibt Mama Florence eine Farm auf dem Hochland von Pateke. Sie möchte auf ihrer Farm, auf der knapp dreißig Leute arbeiten, weitere drei Hektar Boden urbar machen und bepflanzen und mit der Ernte ihre soziale Arbeit finanzieren.
Wir haben vereinbart, dass ich bei meinem nächsten Besuch im Kongo wieder eine Gesundheitsschulung in ihrem Stadtteil und für ihre Zielgruppe mache, so wie auch schon 2016.
Gesundheitsschulung in Kimbanseke
Eine solche Schulung für Mädchen und Frauen habe ich diesmal im Stadtteil Kimbanseke, der noch weiter außerhalb liegt und ähnlich arm wie Masina Pasqual ist, gehalten. Eine Lehrerin der Schule, die von der Don Bosco Schwester Hildegard Litzlhammer mit Hilfe einer Großspende gebaut wurde, hatte Mütter von Schulkindern angesprochen. Diese waren in großer Zahl zur dreiteiligen Schulung gekommen und hatten großes Interesse gezeigt. Was mich besonders freut: Sie wollen ein „Centre de formation sanitaire“ gründen. Dies ist deshalb realistisch, weil sie sich in der Schule an Samstagnachmittagen in einem Klassenzimmer treffen können. Eine Krankenschwester, die an der Schulung teilgenommen hat, zeigt sich äußerst engagiert und will die Frauen inhaltlich gemeinsam mit meiner Mitarbeiterin Solange weiter begleiten. Die Schule hat neben dem Primär- und Sekundärzweig auch einen professionellen Zweig. Der ist für die Zielgruppe von größeren Mädchen, die nie eine Schule besucht haben, gedacht. Sie werden alphabetisiert, aber gleichzeitig erwerben sie Kompetenzen, die ihnen einen Lebensunterhalt ermöglichen sollen. In diese Schiene könnte das Gesundheitsschulungs-Zentrum gut hineinpassen. Ich hatte heute, 28. 6. kurz vor der Fahrt zum Flughafen noch zwei Frauen zum Leiter dieses Schulzweiges begleitet. Die Frauen hatten die Sache selbst als ihr eigenes Anliegen vorgetragen.
Ecole St. Hélène
Über die Schwierigkeiten der Ecole St. Hélène habe ich schon im ersten Bericht erzählt.
Mit den Leitern dieser Schule, dem Coordinateur Denis Lelo und dem Direktor Jean Leandre hatte ich mich nochmal getroffen, um über die Weiterführung der Schule nachzudenken. Das Schulgebäude ist in einem desolaten Zustand. Soll und kann der Unterricht an diesem Ort weitergeführt werden? Gibt es Alternativen? Um das alles gut zu überlegen, habe ich die beiden mit Dan Mitewo, einem Informatiker und insgesamt klugen und ideenreichen Menschen zusammengebracht. Er soll eine Außenperspektive einbringen und helfen, eine gute und realistische Lösung zu finden.
Schulung in Beaumarche
Aus organisatorischen Gründen konnte ich diese Schulung nicht selbst zu Ende bringen, das wird Solange übernehmen.
Zwei persönliche Geschichten
1. Wiedersehen mit Rosette
Rosette, damals dreizehn Jahre alt, war 2013 gemeinsam mit ihrer Tante, Mama Linda und deren vier Kindern, vom Osten des Kongo nach Kinshasa geflüchtet. Rebellen hatten den Mann Lindas sowie Rosettes Eltern getötet. Ich hatte die kleine Gruppe Geflüchteter, zu der auch noch eine andere Witwe, Mama Dorcas mit ihren Kindern gehörte, krank und in unzumutbarer Wohnsituation in der Nähe eines staatlichen Altenheimes gefunden. Ich hatte ihnen geholfen, eine Wohnung zu finden, aber später waren Linda und Dorcas mit meiner Hilfe wieder in den Osten zurückgekehrt, sie hatten in Kinshasa nicht Fuß fassen können. Die beiden Witwen und auch Rosette hatte ich dann aus den Augen verloren.
Zwei Wochen vor meiner Ankunft in Kinshasa war Rosette hier angekommen und konnte bei der ehemaligen Vermieterin Unterschlupf finden. Dazwischen liegt eine lange Geschichte, in der es Rosette gelang, ihren jüngeren Bruder ausfindig zu machen. Er war durch die Wirren der Flucht nach Kinshasa gekommen. Man hatte ihn für tot gehalten, aber Nachbarn hatten ihn damals gerettet. Durch den Kontakt zu einer befreundeten Ordensschwester erfuhr ich von Rosette. Das Wiedersehen war berührend. Es ging nun darum, eine Lebensgrundlage für Rosette und ihren Bruder zu schaffen und einen Bildungsabschluss für Rosette zu organisieren.
2. Mama Adel ist wieder mit ihren fünf Kindern vereint
Mama Adel traf ich bettelnd mit ihrer jüngsten Tochter Fatou, vier Jahre alt, am Boulevard in Kinshasa. Es war der vorige Sonntagabend, ich war zu spät vom Taxi ausgestiegen und musste ein gutes Stück zurück zu Fuß zu meinem Zimmer beim Café Mozart gehen. Normalerweise gebe ich in so einem Fall eine Spende, nicht zu klein, um kein allzu schlechtes Gewissen zu haben. In diesem Fall fühlte ich, dass das nicht passte. Ich setzte mich zu den beiden und versuchte herauszufinden was los war. Mama Adel spricht nur Lingala, also sprach ich Vorübergehende an, mir zu helfen und zu übersetzen. Mama Adel ist Mutter von fünf Kindern zwischen vierzehn und vier Jahren. Der Mann hatte die Familie vor wenigen Monaten verlassen und sich auch die Garantie für die Wohnung auszahlen lassen und mitgenommen. Die Familie wurde auf die Straße gesetzt. Mama Adele verteilte die älteren vier Kindern bei anderen Familien und sie und die Jüngste leben seither auf der Straße.
Wieder muss ich abkürzen. Mama Adel hat in kürzester Zeit in Kimbanseke eine kleine Wohnung gefunden, diese liegt in der Nähe der Schule von Schwester Hildegard Litzlhammer. Dort kann sie ihre Kinder auch ohne Schulgebühren einschulen. Eventuell kann Schwester Hildegard ihr eine Arbeit geben. Ich sorgte noch für das Anschaffen der wichtigsten Einrichtungsgegenstände. Eine Angestellte von Schwester Hildegard wird mich bezüglich der weiteren Entwicklung auf dem Laufenden halten.
Zu guter Letzt meine Gesundheit
Diesmal ging es mir gesundheitlich nicht gut.
In der Trockenzeit ist die Luft unglaublich staubig, rußig sowieso immer, besonders in den Städten. Vermutlich habe ich durch den Staub Darmparasiten eingeatmet, welche meinem Verdauungstrakt fortgesetzt zusetzen. Von der Bandundu-Reise habe ich eine Bronchitis und Schnupfen mitgenommen. An der Innenseite des rechten Knöchels habe ich mir bei einem schadhaften Motorrad-Auspuff eine Brandwunde zugezogen. Und ich bin in ein schlecht abgedecktes Kanalloch gefallen und habe mir Knie, Ellbogen und Knöchel abgeschürft und geprellt.
Aber ich bin auf der Heimreise, und ich freue mich auf daheim!
PS: Diesen Bericht habe ich beim Zwischenstopp in Addis Abeba am Freitag 28. Juni abends geschrieben. Heute Sonntag 30. Juni bessere ich die Fehler aus und runde ich ab.
Abrundung
Zur Abrundung gehört vielleicht auch eine Klarstellung bezüglich der Finanzierung der Reise mit allen Aktivitäten.
Wie schon bei der Vereinspräsentation und bei anderen Anlässen gesagt, finanziere ich selbstverständlich alle meine persönlichen Reisekosten selbst (Flug, Visum, Aufenthalt, Reisen im Land). Ich übernehme selbstverständlich auch die gesamten Reisekosten der Personen, die mit mir arbeiten und mich begleiten. Die Unterstützung von Rosette und Mama Adele, und einigen anderen Personen, die ich nicht angeführt habe, betrachte ich als meine persönliche Hilfeleistung, die natürlich auf meine Kosten geht.
Nur die Unterstützung jener Projekte, die als Projekte von Elikia schon im Vorfeld festgelegt wurden, wie die Schule St. Hélène, Bunkete, Crêche, gehen auf das Konto von Elikia.
Viele herzliche Grüße
Hermine Moser, Obfrau
PPS: Kuluna sind sehr gewaltbereite junge Leute in den armen Stadtvierteln. Sie schüchtern ihre Opfer mit Macheten ein, töten und verletzen. Gestern noch zeigte mir ein Bekannter eine Narbe von einer Verletzung am Ellbogen, die ihm Kuluna zugefügt hatten. Eine Freundin erzählte mir von einem Überfall von Kuluna auf eine Gruppe von circa hundert Menschen, die in der Karwoche am Gründonnerstag auf einen Berg gewandert waren, um zu beten. Kuluna bedrohten sie mit Macheten und nahmen ihnen alles Geld und Mobiltelefone ab. Sie selbst war auch betroffen.
Die Kuluna sind natürlich auch und vor allem ein soziales Phänomen. Immer wieder startet der Staat gewalttätige Säuberungs-Aktionen gegen die Kuluna und tötet sie an Ort und Stelle. Das hilft nur kurz. Andere kommen nach, weil sich an der grundsätzlich hoffnungslosen Situation so vieler Menschen nichts ändert.