Kongos Krankenschwestern gehen auf die Straße

Hier im Kongo streiken gerade die Gesundheits- und Krankenpflegerinnen. In allen großen Städten, voran in Kinshasa, aber auch in Bandundu Ville, wo ich seit dem 6. 6.2019 bin, waren sie heute am 11. 6. lautstark auf der Straße.

Was war passiert?

Als vor einigen Jahren das Bankkonto zur Überweisung des Lohns für die Angestellten in öffentlichen Krankenhäusern eingeführt worden war, bedeutete dies eine große Neuerung. Nun bekam jede Bedienstete den Lohn auf ihr eigenes Konto überwiesen. Früher war es üblich gewesen, dass eine Führungsperson das Geld für alle Angestellten erhielt. Wenn diese den Lohn nicht an die Mitarbeiterinnen austeilte mit der Begründung, es wäre nicht angekommen, dann stiegen sie leer aus. 2013 bei meinem ersten Kongo-Aufenthalt hatte mir dies eine befreundete Ärztin voller Freude und mit der Zuversicht, dass solche Betrügereien nun nicht mehr vorkommen könnten, erzählt.

Das Pflegepersonal hatte aber heuer erneut monatelang keinen Lohn bekommen, nichts war auf ihren Bankkonten eingetroffen.

Des Rätsels Lösung: Die korrupte Obrigkeit hatte eine neue Möglichkeit gefunden, sich auf Kosten des Pflegepersonals zu bereichern. Sie hatten als Empfängerinnen der Löhne einfach die Konten ihrer Kinder, Nichten und Neffen und sonstiger Begünstigter anstatt der wirklich Arbeitenden angegeben. Monatelang war das gut gegangen!

Der Betrug war vom kongolesischen Gesundheitsminister ausgegangen, in Kollaboration mit den Gesundheitsverantwortlichen der einzelnen Provinzen und wohl weiterer Personen. In Bandundu Ville war der oberste Chef des Hospital General arretiert worden.

Ich bin gespannt auf die weitere Entwicklung!

Ein kleiner Zwischenbericht von meinem Kongo-Aufenthalt 2019

Liebe Freundinnen und Freunde von Elikia, liebe Mitglieder!

Politisches und Landeskundliches

Seit 1. Juni bin ich im Kongo. Hier sind die Zeiten gerade aufregend. Das medizinische und pflegerische Personal der staatlichen Krankenhäuser und Gesundheitszentren ist im Streik und protestiert auf der Straße für das Auszahlen ihrer Löhne. Es ist unglaublich, aber ein korrupter Gesundheitsminister hat in Kollaboration mit korrupten Gesundheitsfunktionären landesweit veranlasst, dass die Löhne anstatt an die tatsächlichen Arbeitenden, an ihre eigenen Kinder, Nichten und Neffen und sonstige Begünstigte ausgezahlt wurden, und das seit über zwei Monaten! Die Menschen sind zurecht empört. Gestern und heute habe ich eine Schulung in einem Krankenhaus des Roten Kreuzes für Pflegepersonal und PhysiotherapeutInnen gehalten. Sie erzählten mir einiges über ihre bittere Lage.

Der neue Präsident Felix Tshisekedi hat immer noch keine Regierung zustande gebracht. Das ist sehr im Sinn des früheren Präsidenten Joseph Kabila, der ihn scheitern sehen will. Kabila hat es geschafft, sich zum Senatspräsidenten ernennen zu lassen. In dieser Stellung kann er einspringen, wenn der gegenwärtige Präsidenten Tshisekedi ausfällt. Tshisekedi wird Praktikant-Präsident von denen genannt, die ihn nicht gewählt haben, und das ist die Mehrheit. …  All die Machenschaften des Ex-Präsidenten und seiner Partei PPRD (Partei des Volkes für Rekonstruktion und Entwicklung), der seine Macht mit allen Mitteln sichern will, haben in Kinshasa viele Menschen auf die Straße gebracht. Einige Gesprächspartner sagten mir, dass das Volk bei den letzten Wahlen am 30. Dezember wirklich einen Wandel wollte. Wenn dieser wieder nicht kommt, wird die gesammelte Kraft des Volkes diesen erzwingen … Aber schon 2016, als Kabila eigentlich abtreten sollte und er die anstehenden Wahlen hintertrieb, hatte ich ähnliches gehört …

Bunkete

In dieser spannenden Zeit bin ich nicht in Kinshasa, sondern seit 6. Juni in der Provinzstadt Bandundu Ville. Hier arbeite ich mit der NGO Bunkete zusammen. Bunkete bedeutet in der Sprache Kikongo, die hier neben Lingala gesprochen wird, Sauberkeit. Die NGO hatte nämlich ihre Arbeit mit der Herstellung von Putzmitteln gestartet. Damit wurden einerseits Frauen-Arbeitsplätze geschaffen, und andererseits konnte langsam mit der Unterstützung von elternlosen Kindern begonnen werden.

Ich hielt bereits zwei vierteilige Schulungen parallel, vormittags und nachmittags, hauptsächlich für Frauen und Mädchen, und die zweitägige Schulung für Professionisten. Am vergangenen Sonntag besuchte ich mit Bunkete-Leuten die eine gute halbe Motorrad-Stunde entfernte Farm, die von Bunkete betrieben wird, um die Unterstützung der Waisenkinder finanziell zu tragen. Siehe Projekt-Bericht auf unserer Homepage. Man zeigte mir auch ein Grundstück etwas außerhalb der Stadt, auf dem das Haus für hundert verlassene und verstoßene Kinder entstehen soll. Bunketes Schwerpunkt liegt in der Unterstützung von Waisenkindern. Diese sind derzeit bei Familien untergebracht, wo es ihnen aber oft nicht gut geht. Ihnen ein wirkliches Zuhause zu schaffen, ist das große Ziel.

Derzeit befindet sich Bunkete leider in einer Phase des Abstiegs. Die NGO hatte mit internationalen Partnerorganisationen wie der UNICEF zusammengearbeitet. Alle diese Organisationen hatten 2016 ihre Stützpunkte in Bandundu Ville aufgrund der instabilen politischen Situation mit den ausstehenden Wahlen aufgegeben. Auf sich allein gestellt, ist der finanzielle Spielraum für Bunkete sehr klein geworden. Dann wurde vor knapp einem Jahr ihr Büro ausgeraubt. Alle PCs, Kopierer, Scanner, die gesamte Einrichtung wurden gestohlen. Und das sozusagen vor den Augen der Polizei schräg gegenüber in ihrem Tag und Nacht besetzten Dienstort. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Gesundheit

Hier in Bandundu wohnen meine Mitarbeiterin Solange und ich gottseidank in einem Haus mit funktionierenden Sanitäranlagen. Das ist deshalb wichtig, weil mich vor allem nachts ein hartnäckiger Durchfall plagt. So muss ich diesmal aus Gesundheitsgründen auf die gute fette und würzige kongolesische Kost Großteils verzichten und ernähre mich hauptsächlich von Schwarztee, Brot, Reis und Bananen. Dabei habe ich die kongolesische Küche bisher immer gut vertragen und auch sehr gern gegessen!

Aktivitäten in Kinshasa

Ecole St. Hélène

Am 3. Juni habe die Schule „St. Hélène“ besucht, welche wir durch eine großzügige Spende einer Künstlerin mit € 2.000 im Vorjahr unterstützen konnten. Die Eindrücke waren sehr prägend. Die Schule liegt in einer sehr armen Wohngegend, das reduziert den finanziellen Spielraum der Schule gewaltig, weil die Eltern nicht viel zahlen können und der Staat die Schule nicht unterstützt! Entsprechend ist der Zustand des Schulgebäudes, welches nur gemietet ist. Der Vermieter ist nicht gewillt, Investitionen zu tätigen. Aber der Koordinateur der Schule, Deni Lelo, und der Direktor sagen beide, dass sie die Kinder nicht im Stich lassen werden! Sie wollen weiter machen.

Sanga Mamba

Am selben Tag besuchte ich das Haus für verlassene Mädchen der Don Bosco Schwestern in Sanga Mamba. Dort konnte ich im Vorjahr erreichen, dass die damals zehnjährige Milka aufgenommen wurde, welche der eigene Vater töten wollte, weil sie eine Hexe sei! Milka hatte sich gut entwickelt und gut eingelebt. Sie war aber wegen hohen Fiebers und Anämie im Krankenhaus und kam genau an diesem Montag, als ich zu Besuch kam, wieder heim. Es war ein schönes Wiedersehen, Milka war aber von der Krankheit geschwächt. Ich hoffe, dass sie sich gut erholt! Sie hatte schon mehrmals solche Fieberattacken.

Schulung

Die ersten beiden Teile der Reflexologie-Schulung, die Solange organisiert hatte, fanden am 4. und 5. Juni im Stadtteil Beaumarché in einem Privathaus statt.

Ich hatte auch zwei Unterrichtseinheiten in der Schule von Schwester Hildegard für die älteren Mädchen am 4. 6. morgens.

So war die Zeit bis jetzt sehr ausgefüllt. Heute, 14. 6. bin ich von Bandundu Ville wieder nach Kinshasa zurückgekommen. Ursprünglich wollten wir mit dem Kanu Rapide reisen, einem Schnellboot, das es in einem Tag auf dem Wasserweg (man reist auf den Flüssen Kasai, Kwilu und dem Kongo) bis nach Kinshasa schafft. Wir hatten unsere Tickets, ich freute mich auf das Wasser-Erlebnis. Aber dann erfuhren wir heute Morgen, dass noch zehn Passagiere gesucht werden, damit das Schiff starten kann. Es war klar, dass das nicht klappen konnte. Das Kanu Rapide legt nur Montag und Freitag ab, wir hätten also auf den Montag warten müssen. Und kurzfristig auf die lange und sehr mühsame Busfahrt umsteigen wollte ich nicht riskieren, weil wir vielleicht gar kein Ticket mehr bekommen hätten kurz vor Abfahrt des Busses. So entschloss ich mich kurzfristig, doch wieder mit dem Flugzeug zu reisen, was ich gar nicht mag!

Auf meine Frage, ob man nicht von den überfüllten Bussen Passagiere für das Kanu Rapide abwerben könnte, wurde mir gesagt, dass die Kongolesen Angst vor dem Wasser hätten … Alle Freundinnen, die zu unserem Abschied gekommen waren, beteuerten, dass sie nicht ins Kanu steigen würden!

Aber jedenfalls bin ich jetzt wieder zurück in Kinshasa und kann wieder ins Internet.

Ich hoffe es geht sich nochmal ein Bericht aus, sonst bald nach meiner Rückkehr am 29. Juni. 

Viele liebe Grüße von Hermine Moser

Die Wahlen im Kongo

Drei Berichte aus der Wiener Zeitung über das umstrittene Wahlergebnis der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der DR Kongo.

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/1011745_Tshisekedi-wird-unerwartet-Sieger.html

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/1011914_Der-Plan-B-von-Kongos-Machthabern.html

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/1011921_Rohstoffe-und-zweifelhafte-Wahlen.html

 

 

Geringe Glaubwürdigkeit der Wahl im Kongo am 23. 12. 2018

Geringe Glaubwürdigkeit der Wahl im Kongo am 23. 12. 2018

Für den 23. Dezember sind nach über zweijähriger Verspätung Parlaments-und Präsidentschaftswahlen in der Demokratischen Republik Kongo angesetzt. Meine Kontaktpersonen in Kinshasa berichten von großer politischer Spannung, die den sowieso schwierigen Alltag zusätzlich belastet. 

Bereits seit 17 Jahren bekleidet Joseph Kabila das Präsidentenamt in der DR Kongo. Kabila Junior folgte 2001 seinem Vater Laurent Desiré Kabila nach, der 1997 den Langzeit-Diktator Mobutu Sese Seko mit Hilfe des jetzigen ruandischen Präsidenten Paul Kagame vertrieben hatte. Kabila Senior fiel 2001 einem bis heute ungeklärten Attentat zum Opfer. 

Laut Verfassung stehen einer Person zwei Amtsperioden für jeweils fünf Jahre zu. Joseph Kabila ist seit 2001 an der Macht, wurde aber erst 2006 durch eine demokratische Wahl legitimiert. Seit Dezember 2016 ist er auf illegitime Weise im Amt. In Folge dessen brach in der DR Kongo eine politische Krise mit weitreichenden humanitären und sozialen Folgen wie Hungersnöten und wiederholten bewaffneten Übergriffen mit großen Fluchtbewegungen aus. 

Moderiert durch die katholische Bischofskonferenz der DR Kongo, wurde Ende 2016 ein Abkommen zwischen Regierung und Teilen der Opposition verabschiedet, welches die Durchführung von freien und fairen Wahlen bis Ende 2017 vorschrieb. Viele Punkte des Abkommens und vor allem den vereinbarten Wahltermin hielt die Regierung Kabila nicht ein. 

Die Wahlkommission der DR Kongo, die eigentlich unabhängig sein sollte, versagte aussichtsreichen Kandidaten der Opposition teilweise die Registrierung als Kandidat oder hinderte Kandidaten gleich an der Einreise in das Land. Am letzten Tag der Registrierungsphase präsentierte Kabila mit Emmanuel Ramazani Shadary den Kandidaten, der ihm selber lieb ist, der aber sicher nicht den dringend notwendigen und von den Menschen geforderten Wandel bringen wird.

Seit 2016 sind im Kongo die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit zunehmend eingeschränkt. Die kongolesische Polizei begegnete selbst friedlichen Demonstrationen der Opposition mit Gewalt. Unter diesen Bedingungen haben Kandidaten der Opposition nur geringe Chancen. Entsprechend gering ist die Glaubwürdigkeit dieser Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Dies ist gefährlich, weil die tiefe Frustration, welche viele Menschen empfinden, in offene Gewalt und Gegengewalt umschlagen kann. Neue Ausbrüche von Gewalt aber spielen der Regierung Kabila in die Hand, die sich gerne als die einzige nationale Ordnungskraft inszeniert.

Mehr Informationen: Ökumenisches Netz Zentralafrika
https://www.dw.com/de/demokratische-republik-kongo-vor-den-wahlen-wächst-die-angst/a-46742026


Congo-Stars im Kunsthaus Graz

Congo-Stars im Kunsthaus Graz

Noch bis 29.1.2019 ist die Ausstellung Congo-Stars im Kunsthaus Graz zu sehen, am 30. und 31.12.2018 sogar bei freiem Eintritt. Congo Stars zeigt populäre Malerei von den 1960er-Jahren bis heute Seite an Seite mit zeitgenössischer Kunst, die sich anderer Medien bedient.

Congo Stars im Kunsthaus Graz zeigt auch historische und aktuelle Beziehungen zwischen der Steiermark, Österreich und dem Kongo. Die Verbindungen reichen bis in die Anfänge der Staatsgründung 1961. Beispielsweise haben österreichische Professoren über 20 Jahre an der Académie des Beaux-Arts in Kinshasa unterrichtet.

Wer die Ausstellung nicht besuchen kann, kann hier eine Beschreibung und ein Video ansehen.
https://www.museum-joanneum.at/kunsthaus-graz/ausstellungen/ausstellungen/events/event/6880/congo-stars

Bildquelle: Moke, „Nganda Moke“, 1992, Collection Lucien Bilinelli, Bruxelles/Milan, Kunsthaus Graz

Präsentation des Vereins „Elikiá – Hoffnung für den Kongo“ am 22. November 2018

Präsentation des Vereins „Elikiá – Hoffnung für den Kongo“ am 22. November 2018

Do 22. November 2018, 19:00, im Brauhaus (Keller) Freistadt

An diesem Abend stellt sich der neue Verein Elikiá – Hoffnung für den Kongo vor. Der Verein unterstützt Selbsthilfe-Projekte im Kongo. Hermine Moser berichtet von ihrem letzten Kongo-Aufenthalt und den Gesundheits-Schulungen, die sie seit fünf Jahren vor Ort hält.

Wir zeigen kongolesische Textilien, Keramiken und Holzarbeiten, die Sie gegen eine freiwillige Spende erwerben können.

Es besteht die Möglichkeit, sich über den Verein zu informieren und dem Verein beizutreten.

Benefiz-Veranstaltung „Lustiges Allerlei zum Schmunzeln“ am 10. November 2018

Der Freistädter Wolfgang Handlbauer liest und spielt Lustiges Allerlei zum Schmunzeln (oder Lachen) im MÜK, in der Samtgasse in Freistadt.

Samstag, 10. November 2018, um 18 Uhr. Der Eintritt beträgt: 9 € , der Reinerlös der Veranstaltung kommt dem Projekt „Ein Haus für 100 Kinder“ des Vereins Elikiá – Hoffnung für den Kongo zugute.

http://www.muehlviertel-kreativ.at/programm/allerlei-lustiges/

Wo liegt die Relevanz meiner Schulungen für die Menschen im Kongo?

Wo liegt die Relevanz meiner Schulungen für die Menschen im Kongo?

Die Schulung hatte ich ursprünglich für eine bestimmte Zielgruppe, nämlich Frauen und Mädchen, die sexualisierte Gewalt hatten erleiden müssen, konzipiert.

Es stellte sich heraus, dass die angebotene Mischung aus

  • Körperwahrnehmung und grundlegende Informationen über die physiologische und anatomische Funktion des Körpers (Kinaesthetics),
  • aktiver und praktischer Gesundheitsvorsorge und Hilfe (Fuß-Reflexzonenmassage) und
  • Sexualität (Kenntnis und Aktivierung des Beckenbodens)

für jede Frau ob jung oder alt, ob mehr oder weniger traumatisiert, von Bedeutung ist. Jedenfalls war die Resonanz überwältigend.

Auch Männer nahmen an allen Orten an den Schulungen teil und zeigten großes Interesse und auch Offenheit für die Inhalte.

Im besten Fall ermöglicht so eine Schulung den Austausch und Dialog über so heikle Themen wie Fortpflanzung, Verhütung, sexuell übertragbare Krankheiten und sexuelle Lust nicht nur für die Frauen, sondern auch zwischen Partnern und in Familien.

Ich gehe davon aus, dass solche Schulungen, entsprechend weiter entwickelt und auf lange Sicht gesehen, einen Beitrag leisten können, um manche der großen Probleme in der kongolesischen Gesellschaft zu thematisieren:

  • Den mangelnden Respekt Frauen und Mädchen gegenüber, welcher einhergeht mit dem Druck auf Burschen und Männer, sich „stark“ zu zeigen
  • Das strikte Delegieren der familialen und hauswirtschaftlichen Arbeit an die Frauen
  • Die permanente Bedrohung und Gewalt vor allem gegenüber Frauen und Mädchen
  • Die vielen „filles-mères“, also sehr junge Mütter, die kaum für sich und ihre Kinder sorgen können

Die Berichte mancher Schulungsteilnehmerinnen über den Erfolg einer Maßnahme bei Familienmitgliedern, aber auch manche respektvollen Rückmeldungen von Männern, die von ihren Frauen eine Behandlung bekommen hatten, lassen mich annehmen, dass ich mit meiner Einschätzung richtig liege.

Die Frauen sind stolz auf sich selbst, weil sie etwas Nützliches gelernt haben, das sie selbst stärkt und ihre Stellung in der Familie aufwertet. Und die Männer erleben ihre Frauen als kompetent und selbstbewusst. Das könnte eine hilfreiche Dynamik für Entwicklung schon in der Familie in Gang setzen.

An den Schulungen nehmen 20 Personen bis 120 Personen teil. Eine so große Zahl an TeilnehmerInnen gelingt nur mit einem guten Team.

 

Hintergründe für die teilweise extreme Armut eines großen Teils der Bevölkerung

Hintergründe für die teilweise extreme Armut eines großen Teils der Bevölkerung der Demokratischen Republik Kongo

Um die heutige Situation des Kongo ein wenig zu verstehen, braucht es einen Rückblick auf die belgische Kolonialgeschichte von den 1880er Jahren bis 1960. Sie war von brutalster Ausbeutung, Unterdrückung und Zwangsarbeit gekennzeichnet. Dieser Geschichte folgte die vollkommen überstürzte und entsprechend unglücklich verlaufende Entlassung des Landes in die Unabhängigkeit im Jahr 1960.

Es verlangt auch einen sehr kritischen Blick auf das fortwährende Ausüben von politischer und wirtschaftlicher Dominanz des ehemaligen Kolonialherrn Belgien, aber auch von Europa, den USA, und dem Internationalen Währungsfond.

Der demokratisch gewählte Ministerpräsident Patrice Lumumba wurde 1961 nach nur sieben Monaten Amtszeit unter Mitwirkung des US-Geheimdienstes nach schwerer Folterung ermordet. Dies geschah, um die wirtschaftlichen und hegemonialen Interessen Europas und insbesondere der USA zu sichern. Es folgten Jahre des Bürgerkriegs mit Sezessionsbestrebungen der an Rohstoffen besonders reichen, im Osten des riesigen Landes gelegenen Provinzen.

1965 putschte sich der Armeestabschef Joseph Mobutu Sese Seko an die Macht. Er hatte an der Ermordung Lumumbas, seinem früheren Mitkämpfer für die Unabhängigkeit, maßgeblich mitgewirkt. Mobutus Diktatur dauerte über dreißig Jahre. Sie war geprägt von Unterdrückung, Gewalt und Willkür, Misswirtschaft und Korruption, Menschenrechtsverletzungen, dem Ausverkauf des Landes und seiner Bodenschätze. Sie führte zu einem wirtschaftlichen und sozialen Niedergang mit zunehmender Verelendung der Bevölkerung.

Mit dem Ende des kalten Krieges in den 1990er Jahren verloren die USA das Interesse, den Diktatur Mobutu weiter an der Macht zu halten. Der Genozid an den Tutsis im Nachbarland Ruanda 1994, der große Flüchtlingsströme in den Ost Kongo nach sich zog, verzögerte jedoch die  von den USA „genehmigte“ Entmachtung Mobutus. Der Kongo (unter Mobutu „Zaire“) wurde in einen Strudel kriegerischer Ereignisse vor allem im Osten des Landes, der an Uganda, Ruanda und Burundi angrenzt, hineingerissen.

Der Sturz Mobutus 1997 durch Laurent Desiree Kabila führte zu keiner Stabilisierung des Landes. Bis weit über die Jahrtausendwende dauerte der in mehreren Etappen verlaufende „Erste afrikanische Weltkrieg“ mit von der UNO geschätzten vier Millionen Toten. Er hatte unglaubliches und anhaltendes Leid, Vergewaltigungen und Massaker an der  Zivilbevölkerung gebracht und dauert bis zur Gegenwart an.

Quelle: Van Reybrouck, David (2013) Kongo Eine Geschichte. Suhrkamp Taschenbuch 4445

Nach der Ermordung Laurent Kabilas im Jahr 2001 durch einen Leibwächter übernahm Kabilas Sohn Joseph Kabila die Regierungsgeschäfte. Mit Unterbrechungen herrscht er bis Ende 2018 als gewählter, jedoch sehr umstrittener Präsident. Seine Regierungszeit ging mit Ende 2016 zu Ende. Leider weigerte sich Kabila, Wahlen zuzulassen. Laut Verfassung darf er kein weiteres Mal kandidieren. Die Situation ist im ganzen Land aus diesem Grund sehr angespannt, mit immer wieder kehrenden Ausbrüchen von Gewalt. Diese Stimmung konnte ich bei meinen beiden Aufenthalten 2016 und 2018 in Kinshasa deutlich wahrnehmen.

Auf Grund des fast völligen Fehlens staatlicher Gesundheits-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen werden diese Aufgaben zu einem großen Teil innerhalb der Familie, durch Selbstorganisation in größeren Zusammenhängen wie der NGO, mit der ich zusammen arbeite, von Missionen, Freikirchen und internationalen NGOs angeboten.

Nur in seltenen Fällen sind die Angebote kostenfrei. Menschen sterben an einfachen Krankheiten, wenn das Geld für die nötige Behandlung oder für eine Operation fehlt. Bildung ist ein Gut, das nur bekommt, wer dafür bezahlen kann.

Auf diese Weise ist ein großer Teil der Menschen vom wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen.

Abschließende Bemerkung

Trotz der äußerst schwierigen Lebensbedingungen erlebe ich bei vielen Kongolesinnen und Kongolesen große innere Kraft, Solidarität, Lebensmut und Lebensfreude. Dies wirkt auf mich ansteckend und gibt mir den Mut und die Kraft, meinen sehr individuellen und natürlich entsprechend punktuellen Beitrag vor Ort zu leisten.

Freistadt, im April 2018, Hermine Moser